Blickwinkel

Ich war dort zu Hause , wo ich WLAN hatte und es Strom, Wasser und eine Zivilisation gab.

Mein Leben erhielt nun eine Kehrtwende. Es erhielt ein neues Gesicht, ein nicht schönes Gesicht.

Nun ist mein Zuhause hier, in der Gesellschaft, in der die Armut nur so schreit,

total isoliert und abgeschottet von der Welt.

Als dieser Tag gekommen ist, wusste ich, dass etwas nicht stimmte, ich wusste es, als wir den rotbestempelten Brief in unserem roten Briefkasten fanden. Mom hat sogar geweint.

Am nächsten Tag haben meine Eltern mit allen möglichen Leuten telefoniert, die Koffer gepackt und geschrien - und geweint, zwei Stunden später sind wir dann angefahren, ohne jeglichen Rücksicht auf Abschiede.

Ich habe den Brief nie gelesen, habe nur gesehen, wie Mom und Dad beim Anblick darauf reagierten und, wie sie anschließend die Zeilen in den Papierkorb schmissen. Meine Eltern sind stumm geblieben, haben nichts gesagt und wenn ich ihnen Fragen gestellt habe, sagten sie bloß: „Das verstehst du noch nicht!“, aber auf die Frage,wann ich es denn verstehen würde, hatten sie auch keine Antwort.

Verdammt! Ich hatte doch ein Recht gehabt zu erfahren warum wir das Land verlassen hatten und es nicht mehr betreten würden, das war nicht fair gewesen, nichts von all dem war das. Aber ich war schlau, also hatte ich leicht die Puzzleteile zusammen gesetzt.

„Abgeschoben“, war das Wort, mehr nicht.

Meine Eltern hatten nicht den Mumm gehabt, mir diese Sache, wie sie es Anfangs nannten, ins Gesicht zu sagen.

Vielleicht waren sie zu feige gewesen, es laut aus zu sprechen.

Und trotzdem, ich hatte verzieh ihnen.

Am Flughafen konnte ich dann sehen, wo hin uns der Weg brachte: „Afrika... Kongo“, flüsterte ich. „...wo die Armut nur so schreit!“, es hallte durch meinen Kopf, wie eine Sirene, aber es war mir nicht klar,was es hieß dort auch zu leben zu müssen.

Im Kongo leben echt viele arme Menschen, sie alle tragen ihre eigene Geschichte mit sich herum, mit ihren Gefühlen, Gedanken und Erlebnissen, und sie kämpfen Tagtäglich ums überleben. Der Blickwinkel früher, ist ein anderer gewesen.

Das erste mal bemerke ich die Welle der anderen Atmosphäre, als ich aus dem Flugzeug steige.

Schmerz, Hilflosigkeit, Trostlosigkeit und Benachteiligung stapeln sich im trockenen Erdbodensand , der als Staubwolke aufsteigt. Ignoranz, Rassismus, Sexismus und alles was noch mit Leid und Schmerz in Verbindung steht ist der Feind, der hier jeden Tag um die Ecke biegt. Auf meiner Zunge schmecke ich den wahren Schmerz und mir wird bewusst, dass mir vor wenigen Tagen, dass alles wahrscheinlich sogar noch egal gewesen ist, während ich damals nach einem guten Signal für Netflix gesucht habe, haben Tausende von Menschen gekämpft, haben Schmerzen gefühlt.

Diese Schmerzen werde ich auch bald fühlen und sie werden schlimmer sein, als ich es vermuten habe.

Es ist für mich normal gewesen, so abschätzig zu denken, es ist für mich vielleicht sogar okay gewesen.

Es ist aber nicht okay, dass ist es ganz und gar nicht. Früher habe ich die Leute hier ignoriert, jetzt bin ich der, der ignoriert wird und ich merke, wie sehr mich das trifft. Alles hat nun einen andren Wert, ich habe gelernt zu verstehen und zu kosten.

Da ich jetzt selber ums überleben kämpfe und Arm bin, dass ich vor Hunger schreien kann, seh ich die Welt in einem anderen Licht. Das Licht ist warm, es brennt manchmal und ich versuche es einzufangen, weil ich so Hoffnung

zu spüren versuche.

Ich habe mich früher immer über den Regen beschwert, weil er so nass war, und kalt. Aber wenn, Mutternatur uns heute mit Regen beschenkt, beschenkt sie uns auch mit der Hoffnung.

Ambra Vuotto, 8b